Janáčkova filharmonie OstravaGipfeltreffen der Stars

Gipfeltreffen der Stars

http://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Netrebko-Kaufmann-und-Hampson-begeistern-in-Muenchen-id34595382.html

KONZERT KÖNIGSPLATZ

Netrebko, Kaufmann und Hampson begeistern in München

Anna Netrebko, Jonas Kaufmann und Thomas Hampson waren die Sänger-Zugpferde auf dem Münchner Königsplatz. Musikalische Leidenschaft entfachte vor allem im zweiten Teil. Von Rüdiger Heinze

 

Es hielt das Wetter. Es hielten die Stars ihre hohen Töne. Es hielt das Publikum, vor allem im zweiten Teil des Abends, den Atem an. Es hielt auch das Drahtseil, an dem eine schwere Kamera immer mal wieder diagonal über den Königsplatz sauste, auf dass sie für das ZDF aus der Vogelperspektive dieses Gipfeltreffen allererster Namen der Opernwelt einfange.

Internationale Opernstars singen in München vor 12.500 Menschen

Ob aber auch die Ohrenstöpsel, die in der guten Stube Münchens zwischen Propyläen, Glyptothek und Antikensammlungen für einen Euro verkauft wurden, die Ertragserwartungen hielten, die in sie gesteckt worden waren, dies möchten wir bezweifeln. So ein Arienabend ist ja recht eigentlich kein Metal-Rock-Konzert.

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Mehr wurde wohl von dem ganzen Ochsen verkauft, der sich auf diesem gehobenen Münchner Volksfest am Spieß drehte und schon vor 20.15 Uhr, dem musikalischen Auftakt, recht stark abgenagt war.

20.15 Uhr also betraten die Stars die Bühne, vorweg Anna Netrebko, Jonas Kaufmann, Thomas Hampson. Dass sie es gemeinsam taten, war nicht ohne tragischen Hintergrund: Sie wünschten Dmitri Hvorostovsky, für den Hampson einsprang, gute Besserung. Hampson ließ dabei am ehesten aufmerken: „Do it, come back, we need you!“, erklärte er. Da war zu ahnen, dass es sich nicht um eine Grippe bei Hvorostovsky handeln würde. Und aus Veranstalterkreisen war denn auch zu erfahren: Kurz vor seinem geplanten Münchner Auftritt ist bei Hvorostovsky ein Gehirntumor diagnostiziert worden. Denkt dann einer noch an den autistischen Sohn Anna Netrebkos, dann wird vollends klar: Krankheit, Leid, Stigma bleiben natürlich auch in Opernkreisen nicht dem Bühnenspiel vorbehalten. Speziell Netrebkos Physiognomie glaubt man heute Erfahrungen ablesen zu können, die sie vor zehn Jahren, bei ihrem ersten Münchner Königsplatz-Open-Air, noch nicht gemacht hatte. Damals huldigten ihr – und dem Tenor Ramon Vargas – 17.000 Menschen; diesmal ließen sich 12.500 zu Standing Ovations nach den sechs Zugaben hinreißen. Damals kosteten die Eintrittskarten bis 218 Euro, diesmal bis zu 320 Euro – wobei in der letzten Woche vor dem Gipfeltreffen noch deutliche Nachlässe u. a. über die Internet-Plattform Groupon eingeräumt wurden.

Musiker finden im zweiten Teil ihren Willen zur Verausgabung

So viel zu den trockenen Zahlen – kommen wir schnell zur saftigeren Musik. Der erste Abendteil blieb Verdi reserviert. Die Janacek Philharmonie Ostrava spielte unter Claudio Vandelli tüchtig, aber auch merkwürdig verhalten, klanglich entrückt, wie aus weiterer Ferne. Und was Jonas Kaufmann und Anna Netrebko dazu aus „Aida“ boten, dazu Thomas Hampson solo aus „Don Carlos“ – es war schön und gut und bemerkenswert kultiviert. Aber Leidenschaft und Feuer vermochte erst kurz vor der Pause das Duett Carlo/Posa (Kaufmann/Hampson) aus „Don Carlos“ zu versprühen, diese Hymne unverbrüchlicher Männer- und Freiheitsliebe. Hier erst schaukelte sich auf, was dann den zweiten Teil des Abends groß machte: Wille zur Verausgabung.

So heimste der Bassist Ildar Abdrazakov als Rossini-Basilio die höchste Abend-Begeisterung des Publikums ein – weit vor jener Anna Netrebko, die gelegentlich als künstlerisch sakrosankt gehandelt zu sein scheint. (Gleichwohl gelang ihr eine Adriana-Lecouvreur-Arie durch strömenden, blühenden, glühenden Sopran berückend innig.)

Zum Abschluss ein Kuss und ein runder Geburtstag

Aber da war noch ein anderer, einer mit Heimspiel-Vorteil in München, einer, der auch noch unverschämt gut ausschaut, der ein großer Bub und Herzensbrecher zugleich ist, der mit seiner Opernstimme nun wirklich fast alles machen kann, was er will, der fürs Timbre nach Belieben Kehle, Gaumen, Nase klanglich beimischt und auch den Schluchzer und die Träne nicht vergisst (Puccinis „Nessun dorma“): Jonas Kaufmann. Und wenn er dann als Rodolfo die Puccini-Mimi umwirbt und Anna entflammt und umfängt und lange knutscht, ja dann gibt es kein Halten mehr im Auditorium. Was doch ein Bühnen-Kuss alles anrichten kann! Nach dem Stimmfest stieg das Geburtstagsfest: Der vokale Grandseigneur Hampson wurde um Mitternacht 60.

 

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.gipfeltreffen-der-klassik-so-war-das-konzert-von-anna-netrebko-und-jonas-kaufmann-auf-dem-koenigsplatz.db09e0a2-d798-4835-b77f-37b24537d302.html

Gipfeltreffen der Klassik

So war das Konzert von Anna Netrebko und Jonas Kaufmann auf dem Königsplatz

Robert Braunmüller

Anna Netrebko, Jonas Kaufmann und Thomas Hampson begeistern mit Opern-Hits auf dem Königsplatz.

Das Zittern vor dem Beginn ist die Würze aller Konzerte an der frischen Luft. Erst war die Netrebko krank, dann musste der Bariton absagen. Und eine Stunde vor Beginn dräuten von Westen Gewitterwolken. Doch wenn sich 12 500 Leute auf dem nicht ganz vollen Königsplatz sich ganz fest was wünschen, geht es in Erfüllung. Und so fielen höchsten ein paar Tropfen in die laue Sommernacht.

Die Janácek Philharmonie Ostrava kämpfte sich unter Claudio Vandelli tapfer durch Verdis erfreulich kurze Ouvertüre zu „Luisa Miller“. Dann erschien das Solisten-Quintett. Jonas Kaufmann pries den Musiksinn seiner Heimatstadt München. Und die fünf Solisten wünschten dem an einem Tumor erkrankten Dmitri Hvorostovsky von Herzen gute Besserung – deutsch und russisch.

Vorsicht, Drama!

Kaufmann begann mit der Tenor-Romanze aus „Aida“: ohne Allüren, dafür mit einem leise gehauchten Schluss. Die Netrebko erschien – in Flaschengrün und einer klobigen Kosakenjacke. Sie tauschte die ursprünglich vorgesehene Szene aus dem ersten „Aida“-Akt gegen die wehmütige Nil-Arie. In der zweiten Halbzeit blieb dann das Kraftstück „In questa reggia“ aus „Turandot“ im Koffer – eine Folge der Krankheitspause vor dem Konzert?

Vor der Pause gab es überwiegend verhaltene Nummern. Elena Zhidkova überraschte mit der französischen Version der Eboli-Arie, Jonas Kaufmann und Thomas Hampson beendeten das freurige Freundschaftsduett aus „Don Carlos“ mit einem großen Handschlag.

Ein Vorrat guter Laune, der mindestens für eine Woche ausreicht

Die Netrebko zog sich silbern-schwarz um. Zu ihrer Nummer aus Cileas „Adriana“ wehten wummernde Bässe eines nahen Pop-Events herüber. Hampson wirkte beim Credo des Schurken Jago auch mit abgenommener Brille nur halb so dämonisch wie der famose Ildar Abdrazakov in der Verleumdungsarie aus Rossinis „Barbiere“.

Lesen Sie hier: Anna Netrebko im Interview über das Konzert am Königsplatz

Für das Traumpaar gab’s ein Happy End mit Riesenbussi: Davor wandte Kaufmann sich beim Duett „O suave fanciulla“ aus Puccinis „La Bohème“ denkwürdig lässig mit der Geste „Dann steig’ mir doch den Hut ‘nauf“ ab, als Netrebkos Mimi auf g’schamig machte.

Vor allem jene, die gar nicht da waren, pflegen die Nase kulturkritisch über solche Klassik-Großereignisse zu rümpfen. Aber derlei Dünkel ist unangebracht: Große Sänger wie die Netrebko, Kaufmann und Hampson schaffen es auch auf einem Riesenplatz, die Stimmung der jeweiligen Opernszene zu beschwören.

Wonniger Wohllaut

Hier wirken leise Töne oft besser als ein schneidiger Spitzenton. Und die Verstärkung tönt, zumindestens in den vorderen Reihen, ausgesprochen natürlich.

Nach Kaufmanns triumphalem „Nessun dorma“ sprangen die ersten begeistert von ihren teuren Sitzen. Danach folgten aufgeräumte Zugaben: Abdrazakov röhrte eine tiefer gelegte Version des Tenor-Macho-Klassikers „Granada“. Zu den Zwischenspielen riskierten die übrigen Sänger ein vernügtes Tänzchen. Hampson sang mit Charme eine Cole-Porter-Nummer, die Netrebko verwandelte sich in Kálmáns „Csárdásfürstin“.

Als Finalissimo ein Duett aus Bernsteins „West Side Story“. Wonniger Wohllaut! Und ein Vorrat guter Laune, der eine Woche ausreicht. Mindestens.

 

http://www.tz.de/muenchen/kultur/anna-netrebko-koenigsplatz-muenchen-12000-fans-5178152.html

„Gipfeltreffen der Stars“

Anna Netrebko verzaubert 12.000 Fans am ausverkauften Königsplatz

Aktualisiert: 29.06.15 08:17

 

 

Die ganz Pessimistischen brauchen ja keinen Dresscode. Plastikpelerine also schon vor Beginn, obwohl die Sonne durch die Propyläen blendet und auch später nur ein herbstlicher Wind die Sommernacht stört. Andere machen sich dafür von innen nass. Mit Caipi aus Plastikgläsern vom Bauchladenmann oder mit Schampus aus dem Versorgungszelt. Was so weit geht, dass (nicht nur) der Gesprächspegel steigt, etwa in Block A3, Reihe 2, bei einer schwer beklunkerten Dame. Überhaupt scheint das ein Unterschied zwischen den 88- und den 319-Euro-Plätzen: Geratscht wird vorn, ergriffen genossen hinten. Und manch Smartphone-Knipser, so darf vermutet werden, hat Anna Netrebko und Jonas Kaufmann ohnehin nur auf seinem Mini-Bildschirm verfolgt.

12.000 Fans lauschen Anna Netrebko

Rund 12000 Fans auf dem fast ausverkauften Königsplatz, über den am Seil die ZDF-Kameradrohne saust, vorn, auf der in wechselndes Bonbonlicht getauchten Bühne, die PR-Schwergewichte der Opernszene – ein Event nennt man wohl so was, obwohl sich das „Gipfeltreffen der Stars“ über weite Strecken kaum danach anhört. Nicht weil Anna, Jonas, Thomas (Hampson) & Co. dürftig bei Stimme und Laune gewesen wären, ganz im Gegenteil. Aber statt Humtata gibt’s auch ungewöhnlich ambitionierte Kost. Kaufmann bekräftigt wieder, nach seinem Rollendebüt in Rom vor einigen Monaten, wie ihm Verdis Radames liegt, schließt die Arie mit falsettiertem Spitzenton ab. Die Netrebko wagt sich erfolgreich auf neue Aida-Gefilde mit der so heiklen Nil-Szene. Und Hampson riskiert das krasse Gegenteil von Gefälligem, mit dem rabenschwarzen Gebet des Jago aus Verdis „Otello“.

Letzterem, für den schwer kranken Dmitri Hvorostovsky eingesprungen, liegt solch Spektakel offenbar am besten. Mit durchgedrücktem Conférencier-Rücken, minimalen Gesten und umso größerer Ausstrahlung beherrscht Hampson Bühne und Platz, bringt – auch als Gounods Valentin – die ausgefeilteste Gestaltungskultur. Der Tenorkollege übernimmt dafür in seiner Heimatstadt die Rolle des Primus inter pares: Kaufmann begrüßt die Masse, erinnert an Hvorostovsky und darf das offizielle Programm beenden mit dem Selbstläufer-Reißer: „Nessun dorma“ ist immer Garant für Gänsehaut und Ovationen, erst recht, wenn die Nummer so prachtvoll und mit lang ausgekostetem „Vincääääääro!“ zwischen die Griechentempel gestellt wird. Ganz Gentleman fängt der Münchner auch am Ende des „Bohème“-Duetts den abgerissenen Spitzenton der Kollegin mit einem Kuss auf: Dass nicht alles hundertprozentig gelingt, dass sich etwa die Netrebko als Aida mal kurz in der Intonation verirrt, dass auch Mezzosopranistin Elena Zhidkova ihre Eboli-Arie stellenweise versteifen lässt – geschenkt.

Auf dem Plakat ist der Name kleiner geschrieben. Doch Ildar Abdrazakov, Bassist aus Russland, singt locker auf Augenhöhe. Vor allem ist seine Verleumdungsarie aus Rossinis „Barbier von Sevilla“ der Stimmungsknotenlöser: späte Bravi an einem Abend, dessen Nummern vorher arg geschwind abgespult werden (Wetterangst?). Erhebliche Unterschiede gibt es übrigens beim Höreindruck. Hinten ist das Klangbild seltsam körper- und zahnlos, dabei gern vom Wind verschoben, vorn wirken die Stimmen wesentlich besser eingebettet ins Orchester. Wobei man manches lieber nicht so genau gehört hätte: Die Janáček Philharmonie Ostrava unter dem lebhaften Claudio Vandelli bietet im Blech Anfechtbares und im Streicherapparat Verwaschenes, fängt sich aber im Laufe des Abends.

Alle Schranken fallen (endlich), als der halbstündige Zugabenblock erreicht ist. Abdrazakov liefert das mutmaßlich tiefste „Granada“ der Aufführungshistorie, die Netrebko singt sich mit „Heia“ und Bizarrdeutsch in die Berge der „Csárdasfürstin“, Hampson gibt in Cole Porters „Begin the Beguine“ den lässigen Crooner, Kaufmann in „Dein ist mein ganzes Herz“ den unwiderstehlichen Weltumarmer. Zu den jeweiligen Instrumentalzwischenspielen schwoofen die Kollegen herein. Ein gemeinsames „Tonight“ aus der „West Side Story“ reißt die 12000 von den Plastiksitzen. „When you dream, dream of us.“ Nichts leichter als das.

Markus Thiel

http://operafresh.blogspot.cz/2015/06/watch-full-munich-concert-with-netrebko.html